Natalie Wiler - Leiterin Expertise und Familien-Mediatorin
Dienstag, 16. Mai 2023, 17.23 Uhr
Seit rund einer Stunde sitze ich am Esstisch eines Nidwaldner Paares: der Mann ist 86-jährig, die Frau 83-jährig. Sie leidet an einer zunehmenden Demenz. Eine Spitex-Mitarbeiterin unterstützt das Paar seit rund drei Jahren in der Haushaltsführung. Obwohl die Frau auch pflegerische Hilfe nötig hätte, hat der Mann dies bis anhin konsequent abgelehnt. Auch eine Überweisung ins Heim findet er unnötig.
Weil die fallführende Hauswirtschafts-Mitarbeiterin zudem festgestellt hatte, dass sich auch die beiden Töchter uneinig sind, wie es weitergehen soll, bat mich diese Kollegin, Kontakt mit der Familie aufzunehmen. Wie man solche mediativen Gespräche führt, hatte ich in der berufsbegleitenden Weiterbildung CAS Mediation an der Hochschule Luzern gelernt. Bei der Kontaktaufnahme bot ich mich als neutrale Fachperson an und erklärte, dass ich keine Patentlösung bringen werde, sondern bei der gemeinsamen Lösungsfindung durch die Familie behilflich sein kann. Das hat alle Beteiligten überzeugt, und daher bin ich heute hier.
In der vergangenen Stunde haben wir uns die verschiedenen Ansichten angehört. Nach mehreren präzisen Fragen meinerseits stellte sich heraus, dass alle nur das Beste wollten, aber alle Angst hatten. Jene des Ehemanns begründete darauf, dass er nicht nur seine Frau, sondern damit auch sein gewohntes Umfeld verlieren würde. Der Tochter, welche weiter weg wohnt und die Mutter gerne ins Heim gegeben hätte, machte es Angst, nicht zu wissen, was bei Ihren Eltern gerade passiert. Und die näher wohnende Tochter hatte bei jeder Entscheidung, die sie stellvertretend treffen musste, ein beklemmendes Gefühl, ob sie das Richtige tat.
Nachdem ein gemeinsamer Nenner gefunden wurde, durfte ich beobachten, wie sich die Körperhaltung aller verändert hatte. Die Familie hat nun aus den möglichen Lösungen folgende für sich ausgesucht: Eine Spitex-Mitarbeiterin wird das Ehepaar morgens und abends mit pflegerischen Leistungen entlasten. So können die beiden weiterhin gemeinsam in ihrem Zuhause bleiben. Gleichzeitig dürfen die Töchter einen Grossteil der Verantwortung einer Fachperson übertragen. Ich freue mich, dass ich zu diesem Ergebnis beitragen konnte.
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